1964 - 1967
(mit einer Ehrenrunde)
Ausbildung bei der Freien und Hansestadt Bremen
zum Verwaltungsbeamten für den Mittleren Dienst
Die steile Beamtenkarriere fing unten im Keller an. Senatskommission für das Personalwesen. Damals Domshof. Runter ins staubige Archiv. Erste Anweisung: die Personalakten der Bremer Beamten im 3.Reich sortieren. Nicht nach ABC, sondern nach NSDAP. Als ehemalige Nazi-Beamten bei der Polizei, bei der SS, im Verwaltungsdienst usw. hatten sie gegenüber der BRD und den westdeutschen Bundesländern als Rechtsnachfolgerinnen des Nazi-Staates Versorgungsansprüche. Tagelang unten im staubigen Kellerarchiv, normalaussehende Beamtenakten von Mitschuldigen und Verbrechern registrieren und archivieren.
Der Ausbildungsleiter, der oben bei Licht ein schönes Büro mit Blick auf den Dom, das Rathaus und auf den Domshof hatte, brachte Spucktüten runter, falls uns bei der Archivarbeit schlecht werden würde. Wir waren zu Viert, Auszubildende zum Mittlerin Dienst in der Bremischen Verwaltung. Naiv, wie wir waren, haben wir uns bei der Kellertätigkeit nicht viel gedacht. Nur: Wann ist endlich Mittagspause, wann ist Feierabend? Die nächsten Ausbildungsstationen dann: Krankenhausverwaltung auf dem Gelände der Nervenklinik Ellen. Bestellwesen. Klopapier, Bettbezüge, Gummimatten, Orthopädische Strümpfe, diese unschlagbaren Patientenhemden, Seifen, Zwangsjacken, Pasten, Cremes usw. - alles, was so in Kranhäusern für die Patienten und für das Personal benötigt wird. Den ganzen Arbeitstag über - sagen wir: Ausbildungstag - telefonieren, telefonieren, telefonieren. Die günstigsten Kostenvoranschläge für die einzelnen Produkte einholen, es kam auf jeden Pfennig an. Weitere Ausbildungsstationen waren dann: Sozialamt Süd, wo der Roth-Händle Kette rauchende rustikale Sachbearbeiter mit der rauchigen Stimme einmal einem Antragsteller Prügel androhte, wenn er nicht sofort die Fresse halten würde. Die junge anleitende Beamtin allerdings, die jeden Tag von Sande im Friesländischen anreiste, war supernett und kompetent. Dann das Stadtplanungsamt im ehemaligen Lloyd-Gebäude. Ein herrschaftlicher historischer Bau mit riesigen Treppen und Paternostern. Die waren denn auch das Hauptinteresse, weil die Herren Ausbilder entweder auf den Baustellen waren oder aber sich stundenlang mit einer kleinen Schere den grauen Bart pflegten. Auch wurde gerne und ausgiebig gefeiert. Der Auszubildende musste ständig runter zu Remmer und Nachschub nach oben bringen. Starkbier. Dann Abordnung ins Finanzamt, Hundesteuerabteilung. Anneliese, die ja gleichzeitig für die SPD in der Bürgerschaft saß, führte ein strenges Regiment nicht nur den Hunden und ihren Besitzern gegenüber, sondern auch gegenüber ihren Unterstellten. Als Abgeordnete fühlte sie sich verpflichtet, uns Beamtenanwärtern ständig Politischen Bildung zu erteilen, die sich allerdings überwiegend darauf fokussierte, die Verdienste der Bremer SPD seit Kriegsende hervorzuheben. Sonst war sie ja ganz in Ordnung. Als Abgeordnete wurden ihr später hohe Verdienste angerechnet, zumal sie ja auch eine Zeit lang Vizepräsidentin des Parlaments war. Schön auch die Zeit beim Bremischen Unfallversicherungsverband / Gemeindeunfallversicherung. Wenn eine Hausfrau beim Fensterputzen von außen im 3.Stock runterflog, dann war diese Versicherung bei der Schadenregulierung zuständig, vorausgesetzt die Hausfrau hat den Sturz überlebt. Das war eigentlich eine Halbtagsausbildung, weil der voll nette Anleiter immer bereits mittags zum Mittag verschwand und dann nicht wiedergesehen wurde. Böse Zungen behaupteten, dass er sich am Nachmittag in den umliegenden Kneipen der Contrescarpe aufgehalten habe. Aber dafür gab es keine konkreten Beweise. Ja, die praktischen Teile der Ausbildung waren sehr vielfältig und interessant. Kommen wir zum theoretischen Teil. Verwaltungsschule bei Zischler. Schillerstraße, oder war es Rilkestraße? Egal. Blockunterricht, mehrmals im Jahr. Zischler stand dann immer unten am Eingang und stoppte meine Verspätungszeit. Meine Ausreden prallten bei ihm immer wieder auf Granit, weil er bei jeder Verspätung selbstherrlich hervorhob, wie er sich bereits in jungen Jahren hochgearbeitet habe und sowohl Vize der Verwaltungsschule und Vize des Sportvereins wurde. Ich solle mir das gefälligst zum Vorbild nehmen............. Gerne aber auch die guten Erinnerungen an Zischler und an die Kolleginnen und Kollegen der Verwaltungsschulklasse 64c. Denken wir zum Beispiel an Thomas, der später als Zahnarzt unter Hypnose dentale Karriere machte. Er war immer einer der Besten und Ehrgeizigsten. Schon damals in der Mittelschule, in die wir als Klassenkameraden gemeinsam gingen. Aber lassen wir doch auch auf Zischler nichts kommen. Denken wir doch nur an die von ihm organisierten außerschulischen Bildungsaufenthalte in der Sportschule Bassum direkt am Sportplatz, in der damaligen Bremer Jugendbildungsstätte mit angeschlossenem Fußballplatz in St.Magnus, und nicht zuletzt an den Aufenthalt in der Deutsch-Niederländischen Heimvolkshochschule, DePottere-Haus, heute Europa-Haus, in Aurich. In Bassum und in St.Magnus auf den Sportflächen hat Zischler, man glaubt es nicht, mich dann auch zweimal gelobt. In Bassum wegen meiner schnellen Läufe und wegen meiner Spielgeschicklichkeit auf dem Linken Flügel, in St.Magnus wegen dieses einen Kopfballs, den ich im 16ner voll auf Kopp nahm und zur Täuschung des Torwarts, der im kurzen Eck stand, volle Kanne ins lange Toreck köppte. Zischler war voll der positiven Fussballkritik mir gegenüber, was in seiner Erinnerung wohl auch der Grund war, dass er mich später beim Trainingsplatz der 1.Mannschaft zusammen mit seiner blonden Gefährtin nicht mehr kannte - zumal er ja in der Zwischenzeit zum Vize-Präsidenten aufgestiegen war , und zumal ihm ja eine eigene Sporthalle mit seinem Namen zugeordnet wurde. Das Programm in der Deutsch-Niederländischen Heimvolkshochschule in Aurich bestand zum Ergötzen der Bremer Verwaltungsschüler überwiegend aus Pausen und Teetrinken, auch wenn der damalige Leiter und spätere Vizepräsident des Niedersächsischen Landtages versuchte, die Basis der Deutschen Nachkriegsdemokratie zu vermitteln. Aus sozialdemokratischer Sicht. Hingegen war die Exkursion ins Niederländische nicht so erfreulich. Bei einem Treffen mit dem Chefredakteur der Leeuwardener Zeitung wurden wir armen Bremer Dienstanfänger von demselben als Nachfolgegeneration der Nazibesatzer voll zu Säuen und Kriegsverbrechern gemacht. Schnell zurück nach Aurich, Tee trinken und einige Kaltgetränke.